82. Urs Fasel, Abschied von iura novit curia und der Rechtseinheit? – Zur Abkehr von einer zweitausendjährigen Tradition durch die neuste bundesgerichtliche Rechtsprechung

In: SJZ 118 / 2022, S. 934-941

In Art. 57 ZPO wurde iura novit curia für alle rechtsanwendenden Gerichte (ohne Ausnahme) normiert. Entgegen diesen Vorgaben hat BGer 5A_74/2019 vom 1. Februar 2019 E. 4.2 das Erfüllen einer «materiellen Letztinstanzlichkeit» gefordert: Damit das Bundesgericht auf ein Rechtsmittel eintritt, müssen die Argumente bereits vor der Vorinstanz vorgetragen worden sein. Damit hebelt es einen zweitausendjährigen Grundsatz aus, ohne dafür eine gesetzliche Grundlage und einen Blick dafür zu haben, dass Rechtsuchende (statt Vorinstanzen) primär zu schützen sind. Für diese Einschränkung der Kognition besteht weder Anlass noch Gesetzesgrundlage. Zu empfehlen ist, sich auf die von Munzinger und Huber konzipierte Rechtseinheit zurückzubesinnen.
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